Schwestern - Wie du dich aus Erwartungen und Rollenzuschreibungen lösen kannst!

Yuri Ziebell
  • Warum fühlen sich Schwestern unter Erwartungsdruck?
  • Wie prägen Rollenzuschreibungen in der Familie deine Verhaltensmuster bis ins Erwachsenenalter?
  • Wodurch belasten deine Rollen deine Beziehung zu deiner Schwester?
  • Was kannst du tun, um dich aus diesem (alten) Erwartungsdruck und deiner Rollenzuschreibung zu lösen.

„Schneeweißchen und Rosenrot“ - Schwestern unter Erwartungsdruck

„Schneeweißchen und Rosenrot“ aus dem gleichnamigen Märchen von den Gebrüdern Grimm sind zwei schöne Schwestern, dich sich sehr liebhaben, unzertrennlich und immer gut zueinander sind. In diesem Märchen wird ein schwesterliches Verhältnis dargestellt, in dem es nicht um Neid, Konkurrenz und um gut oder böse geht, sondern um ein Schwesternpaar, das in einer symbiotischen, harmonischen Einheit lebt, in der sich ihre unterschiedlichen Charaktere positiv und als sich ergänzend ausdrücken dürfen.

Schneeweißchen ist die stille, sanfte, die gern zuhause bei der Mutter sitzt und die immer abends die Haustür schließt. Rosenrot ist die temperamentvolle, die gern draußen herumtollt und diejenige ist, die immer morgens die Tür der Hütte öffnet. So verschieden sie sind, teilen sie alles miteinander und versprechen sich, ein Leben lang füreinander da zu sein. „Schneeweißchen und Rosenrot“ verkörpert bis heute eine Schwesternbeziehung, in der die Unterschiedlichkeit beider Schwestern anerkannt wird und ohne Rivalität gelebt werden darf.

Schwestern werden von ihren Eltern, anderen Familienmitgliedern und der Umwelt häufig stark miteinander verglichen, bewertet und es wird ein harmonisches Verhältnis unter ihnen erwartet. Disharmonien und Meinungsverschiedenheiten haben einen schlechten Ruf. Die Vorstellung, Schwestern müssten sich inniglich lieben und auf Gedeih und Verderb wie „Schneeweißchen und Rosenrot“ zusammenhalten, hat sich als Klischee in vielen Köpfen festgesetzt. Selbst die Schwestern orientieren sich (unbewusst) daran- häufig ein Leben lang. Sie haben ein schlechtes Gewissen oder gar Schuldgefühle, wenn sie diesen Vorstellungen nicht entsprechen und nicht harmonisch miteinander umgehen.

Schwestern stehen unter einem hohen Erwartungsdruck: von Seiten der Gesellschaft, der Familie und ihren Schwestern/Geschwistern und unter der eigenen Erwartungshaltung. Es gilt als „Normalfall“, dass Schwestern sich gut verstehen, miteinander harmonisieren und solidarisch zusammenhalten. Wenn es nicht so ist, werden Frauen als neidisch und streitsüchtig, empfindlich, schwierig oder zickig angesehen. Die Macht dieser Idealvorstellungen ist beachtlich; entsprechen Frauen ihnen nicht, ist der Leidensdruck schon allein deshalb groß.

Rollenzuschreibungen und Glaubenssätze

Schwestern werden eher miteinander verglichen als Schwestern mit ihren Brüdern. Da gibt es oft „die Schönere“, „die Schlauere“, „die Vernünftigere“, „die Witzigere“ ... Kinder übernehmen schnell die Sicht ihrer Eltern und die durch sie zugewiesenen Rollenzuschreibungen. Daraus entwickeln sie eine Überzeugung und ein Selbstbild sowie auch ein Bild von ihren Geschwistern. Dann wird die Älteste z.B. zur „Beschützerin“, die Mittlere zum „Sonderling“ und die Jüngste zur „Prinzessin“.

Wenn diese Stigmatisierungen unbewusst bleiben und du sie nicht auflösen kannst, bleibst du mit deinen Rollen und denen deiner Schwestern identifiziert. Es kann dann zwischen euch ein Leben lang zu gegenseitigen Erwartungen, Enttäuschungen, Verletzungen oder gar Feindseligkeiten und Hass kommen. Werden das eigene Bild von der Schwester, ein bestimmtes Bild von sich selbst oder eine Erwartungshaltung nicht erfüllt, entstehen Frust und Enttäuschungen, wie z.B.: ein Vorwurf: „Du hast dich ja nie gekümmert.“, Neid: „Du warst schon immer der Sonnenschein, ich hätte mich auch gern mal ins gemachte Nest gesetzt.“ oder Rivalität: „Ich wurde immer benachteiligt, du hast immer deinen Willen bekommen.“. Hat ein Kind erfahren, dass es Bestätigung bekommt, wenn es vernünftig ist und Rücksicht nimmt, kann daraus unbewusst der Glaubenssatz entstehen: „Ich muss vernünftig sein und Rücksicht nehmen, nur dann bin ich liebenswert.“

Wege aus Rollenzuschreibungen und Erwartungsdruck

1. Denke darüber nach und mache dir bewusst,

  • ob und wie du und deine Schwester miteinander verglichen und bewertet wurdet?
  • inwieweit ihr eure Unterschiedlichkeit positiv ausleben konntet, ohne dass eine Charaktereigenschaft beispielsweise besser war als die der anderen?
  • ob es ein „ungeschriebenes Gesetz“ gab, wie eure Schwesternbeziehung zu sein hatte?

Unter Geschwistern gibt es sehr viele, unterschiedliche Rollenzuweisungen mit entsprechenden Zuschreibungen oder Aufgaben, die zu Glaubenssätzen werden, z.B.:
Vorbild: „Ich muss alles besonders gut machen und darf mir keine Fehler erlauben.“
Rivalin: „Ich muss immer kämpfen und es anders machen als meine Schwester.“
Nesthäkchen: „Ich werde sowieso nie ernstgenommen.“
Kümmerin: „Ständig bin ich für alles verantwortlich.“

2. Finde heraus,

  • wie es für dich war, die älteste, mittlere oder jüngste Schwester gewesen zu sein.
  • welche Rolle dir innerhalb deiner Familie und eurer Geschwisterreihe hauptsächlich zugeschrieben wurde. Erkennst du dich in einem der obigen Beispiele wieder?
  • was du damals hauptsächlich für deine Schwester oder deinen Bruder warst.

3. Glaubenssätze enttarnen

  • Welche Glaubenssätze hast du aus dem Erwartungsdruck an euch Geschwister und deiner Rollenzuweisung entwickelt. Erstelle eine Liste mit den Rollenzuschreibungen und Glaubenssätzen, die dir nicht so angenehm sind und durch die du dich festgelegt und eingeschränkt fühlst.

Achtung! Hinter Aussagen, in denen die Worte „immer, alles, jeder, grundsätzlich, ständig, nie“ stecken, könnte ein Glaubenssatz verborgen sein. Es ist wichtig solche Sätze, die zu Überzeugungen geworden sind, an die Oberfläche – ans Licht – zu holen und die dazugehörenden Gefühle zu fühlen. Sonst „wirken“ sie weiterhin im Schatten des Unbewussten und werden unbemerkt immer mächtiger.

4. Positive Glaubenssätze entwickeln

  • Stelle dir zu jedem deiner Glaubenssätze ernsthaft die Frage: „Ist diese Aussage wirklich, wirklich wahr?“ „Trifft dies wirklich, wirklich heute noch (auf mich) zu?“ „Ist dieser Satz heute noch wirklich, wirklich stimmig für mich?“
    Hierbei ist das „wirklich, wirklich“ sehr wichtig – probiere es einmal selbst aus!
    Schuhe, die uns zu klein werden und einengen, sortieren wir schließlich auch aus und sorgen für neue, die gut passen und nicht mehr drücken!

  • Formuliere 1 - 3 deiner Glaubenssätze in bejahende, energiegebende Sätze um.
    Wichtig dabei ist es, ausschließlich positive Begriffe zu benutzen, z.B.:
    „Ich muss immer Rücksicht nehmen.“ - „Ich darf auf meine Bedürfnisse und Grenzen Rücksicht nehmen!“
    „Ständig bin ich für alles verantwortlich.“ - „Ich bin nur für mich verantwortlich!“,
    „Ich kann das nicht.“ - „Ich kann und mache es auf meine Art gut!“
    „Ich bin ungeschickt.“ - „So ist es gut genug und genau richtig!“

5. Ressourcen aufdecken und Einzigartigkeit würdigen

  • Schreibe eine Liste zu allem, was dir Freude bereitet, wobei dein Herz aufgeht, was du gut kannst, was andere an dir schätzen. Wenn es dir allein nicht gelingt, frage deine beste Freundin, was sie an dir mag.
  • Mache dir bewusst, wie einzigartig du bist – dich gibt es nur einmal auf dieser Welt!
  • Sich die eigene Einzigartigkeit bewusst zu machen und sie anzuerkennen, ist der erste Schritt zur Versöhnung mit sich selbst.
  • Die Versöhnung mit sich selbst befreit – sei es aus dem eigenen inneren oder äußeren Erwartungsdruck - und zieht Versöhnung mit anderen nach sich.

Diese Schritte sind die Voraussetzung für ein Erleben von Ebenbürtigkeit und eine Begegnung auf Augenhöhe – und dies ist auch unter Schwestern möglich. :)

Du kannst also für dich – ohne Beteiligung deiner Geschwister – etwas tun, um eure Beziehung zueinander zu entspannen, indem du erst einmal dich selbst aus einem Erwartungsdruck und einer Rollenzuschreibung befreist und dich mit dir selbst versöhnst.

Dazu laden wir dich herzlich zu unserem nächsten Workshop ein:
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Anmeldung: "Geschwister - Herausforderung oder Chance!?"

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