Die Trauerkultur in unserer Gesellschaft hat sich in eine Richtung entwickelt, in der Betroffene zunehmend Unterstützungsangebote finden können. Doch es gibt heute noch trauernde Angehörige, die weniger Beachtung erhalten: hinterbliebene erwachsene Geschwister!
Mit dem Tod eines Geschwisters verlieren wir eine der längsten und vertrautesten Bezugsperson. Was bedeutet der Verlust der Schwester oder des Bruders für die zurückbleibenden Geschwister und was hilft ihnen in dieser schwierigen Lebenssituation?
Viele erwachsene Geschwister fühlen sich mit ihrer Trauer, dem Verlustschmerz und den oft sehr verwirrenden Gefühlen nicht gesehen und allein gelassen. Vor allem mit zunehmendem und im höheren Alter, wenn Krankheit und Tod im eigenen Umfeld zunehmen, haben Menschen nicht nur mit dem Tod der Eltern zu tun, sondern oft den Verlust von Geschwistern zu verkraften.
Trauer hat viele Gesichter
Das Trauererleben setzt sich aus unterschiedlichen Trauergefühlen und -phänomemen zusammen. Es gehört zum Trauerprozess dazu und es ist wichtig, sich alle Gefühlsfacetten, die auftauchen, zu erlauben. Nur wenn sie wahrgenommen und gefühlt werden dürfen, können sie sich auch wieder (auf-)lösen. Trauer kann letztendlich nicht umgangen werden, der Weg führt mitten durch sie hindurch. Dies kann sich manchmal unüberwindbar anfühlen.
Vielleicht kennst du dies auch, liebe Leserin, dass dich ein Gefühlschaos zu überrollen droht, dass Gefühle auftauchen, die dich zutiefst irritieren und du befürchtest, dies nicht bewältigen zu können.
Im Trauerprozess treten diese Gefühlsfacetten unterschiedlich stark, zeitlich unberechenbar und chaotisch auf („Gefühlschaos“).
Trauergefühle
Der Psychotherapeut Roland Kachler* hat folgende Facetten beschrieben:
- Gefühle des Verlustschmerzes, der somatisch erlebt wird: „Ich bin voller Schmerz.“
- Gefühle von Lähmung und Erstarrung: „Ich fühle mich wie gelähmt.“
- Gefühle des Nichtbegreifens: „Ich kann es nicht fassen.“
- Gefühle der Betäubung: „Ich fühle gar nichts mehr - ich bin wie taub.“
- Gefühle der Endgültigkeit und des Nie-wieder: „Ich werde sie nie wiedersehen.“
- Gefühle von Verzweiflung und Sinnlosigkeit: „Wie soll/kann ich weiterleben, es ist so sinnlos.“
- Ohnmachtsgefühle: „Ich konnte und kann nichts tun oder ändern.“
- Gefühle der Verwundung: „Ich fühle mich nur noch halb.“ „Als ob mir etwas amputiert wurde ...“
- Sehnsuchtsgefühle: „Sie fehlt mir so unendlich.“
- Gefühle von Ferne, Getrenntsein und Einsamkeit: „Sie ist so weit weg. Ich bleibe allein zurück und bin einsam.“
- Gefühle der Leere: „Ihr Verlust hat ein tiefes Loch und eine große Leere in mir hinterlassen. Ich kann nicht einmal mehr weinen.“
- Gefühle des Verrats und der Scham: „Ich habe sie bei ihrem Sterben und Tod allein gelassen. Wie konnte ich nur, ich schäme mich so.“
- Gefühle der Mitschuld: „Ich fühle mich schuldig, weil ich noch leben darf und sie sterben musste.“ Oder: „Hätte ich sie doch von ihrem Vorhaben abgehalten. Ich bin mitschuldig, dass sie verunglückte.“
- Gefühle der Schuld, etwas versäumt oder sich nicht „richtig“ verhalten zu haben: „Ich hätte geduldiger sein müssen ...“ oder: „Ich war ungerecht.“
- Gefühle der Wut und des Zorns auf die Umstände des Todes, auf Beteiligte wie Ärzte und andere, auf 'Gott' und schließlich auch auf die Verstorbene: „Ich bin wütend, weil die Ärzte sie nicht gerettet haben.“ „Ich bin wütend, weil 'Gott' sie nicht geschützt hat.“ Oder: „Ich bin wütend, weil sie mich alleine zurückgelassen hat.“
*Zitiert und erweitert nach: Kachler, Roland, Hypnosystemische Trauerbegleitung, Ein Leitfaden für die Praxis, Heidelberg, Seite 110
Den unterschiedlichen Trauergefühlen Platz geben
Es ist heilend, den vielen möglichen Facetten von Trauergefühlen einen nötigen Raum zu geben. Dazu gehört es, die verschiedenen Gefühlszustände und Gedanken überhaupt erst einmal wahrzunehmen und sie sich zu erlauben. Wie oft geschieht es, dass eigene Empfindungen nicht wertgeschätzt bzw. ernstgenommen und als "überempfindlich" oder "unangemessen" abgetan und abgespalten werden. Genauso wichtig ist es, ihnen einen Ausdruck zu verleihen - so wie wir auch gern unsere Freude mitteilen. Dies kann in Worten geschehen oder kreativ - in Bildern, Gedichten, Ritualen und Symbolarbeit.
Es ist zu empfehlen, die eigene Not ernst zu nehmen und mögliche Scheu zu überwinden, sich fachkundige Unterstützung und professionelle Hilfe zu suchen, sei es bei Trauerbegleiter:innen, die zum Beispiel in der Hospizarbeit häufig auch ehrenamtlich tätig sind, bei Selbsthilfe- oder Angehörigen-Gruppen oder durch psychologische Beratung bei Therapeut:innen.
Insbesondere wenn die Geschwisterbeziehung sehr konfliktreich war und der Verlust mit starken Schuldgefühlen, tiefsitzender Wut oder anderen belastenden Emotionen verbunden ist, empfiehlt es sich, eine kleine geschützte Gruppe mit professioneller Begleitung aufzusuchen. Hier können die eigenen Erfahrungen, Fragen und Nöte ausgetauscht und die mit dem erlittenen oder drohenden Verlust verbundenen Gefühle und Gedanken bewusst gemacht, zum Ausdruck gebracht und neu geordnet werden.
Trauergefühle haben auch in unseren Workshops Platz
In unseren Workshops nehmen immer wieder auch Frauen teil, die nach einem Weg suchen, mit dem Verlust der Schwester oder des Bruders, der manchmal auch schon Jahre zurückliegen kann, umzugehen. Sehr häufig kommen in der Geschwisterfolge auch Fehl- und Totgeburten oder sehr frühe Kindstode vor. Erst beim genaueren Hinsehen und Nachspüren wird einigen betroffenen Frauen deutlich, dass dieses Ereignis sie in ihrer Entwicklung unbewusst mehr betroffen und geprägt hat, als sie dachten. Ebenso beginnt bei der Diagnose einer lebensbedrohlichen bzw. todbringenden Erkrankung des Geschwisters bereits ein Abschieds- und Trauerprozess, der sehr häufig übersehen wird.
Liebe Leserin, wenn du betroffen bist, laden wir dich herzlich ein, Kontakt zu uns aufzunehmen, um gemeinsam zu klären, ob ein Workshop oder ein individuelles Coaching für dich hilfreich sein kann. Schreibe bitte eine Mail an c@schwestern-workshops.de.
Unsere Workshop-Termine für 2024
„Geschwister – Herausforderung oder Chance!?“
für Frauen, die ohne ihre Schwestern oder Brüder teilnehmen möchten:
15.- 17.03. in Kreuzau (Raum Köln/Aachen/Eifel)
Naturheilzentrum RurEifel https://naturheilzentrum-rureifel.de
(1 freier Platz)
31.05. – 2.06. in Hamburg
Yogahof https://www.yogahof59.de (ausgebucht)
01.11. - 03.11. in Hamburg
Yogahof https://www.yogahof59.de (6 freie Plätze)
Informationen und Anmeldung:
"Geschwister - Herausforderung oder Chance!?"
Unser Schwestern-Workshop "Ein Herz und eine Seele!?"
für Frauen, die gemeinsam mit ihren Schwestern teilnehmen, ist im Juni bereits ebenfalls ausgebucht.
Deshalb bieten wir diesen Workshop im 2. Halbjahr ein weiteres Mal an:
20. - 22.09. in Hamburg (4 freie Plätze)
Yogahof https://www.yogahof59.de
Informationen und Anmeldung: "Ein Herz und eine Seele!?"